Polizei: Wenn ein Kind oder ein Jugendlicher von Zuhause oder aus einem Heim ausreisst, so können die Eltern, oder das Heim (wobei Heime immer eine Abgangsmeldung - so heisst dass bei Kinder und Jugendlichen die aus einem Heim Ausgerissen sind - machen müssen) den Ausreisser bei der Polizei melden. Die Polizei gibt dann eine "Fahndung" heraus.
Das heisst, die Eltern oder das Heim geben der Polizei ein Foto des Kindes. Dieses Foto wird allen Polizeistationen in der Umgebung in der das Kind vermutet wird, zugestellt. Die Polizei fährt mit dem Polizei-Auto herum und schaut ob sie das Kind oder den Jugendlichen Ausreisser sehen. Meistens fahren sie an Bahnhöfen und an Plätzen vorbei wo sich die Jugendlichen in der Regel treffen.
Festnahme: Hat die Polizei den Ausreisser entdeckt, so darf sie den Ausreisser nur schonend anhalten. Schonend anhalten ist nicht das gleiche wie verhaften. Das heisst, sie dürfen ihm keine Handschellen anlegen (verhaften) oder mit einem schmerzhaften Judogriff festhalten. Sie dürfen ihn aber normal festhalten (an den Kleidern und so) wenn er fliehen will. Die Polizei darf weder schmerzhafte Gewalt anwenden, noch darf sie den Ausreisser vor Publikum blossstellen. So darf die Polizei ein Kind oder ein Jugendlicher den es in einer Badeanstalt gefunden hat, nicht vor allen Badegäste die Handschellen anlegen oder mit einem Judogriff abführen (wie einen Schwerverbrecher). So ein Vorgehen nennt man dann "blossstellende Verhaftung".
Aussichtsklage: Macht die Polizei trotzdem eine blossstellende oder schmerzhafte Verhaftung, so hat der Ausreisser das Recht gegen die fehlbaren Polizisten eine Aufsichtsbeschwerde zu machen. Diese Aufsichtsbeschwerde kann der Ausreisser sofort machen, denn die Polizei bringt den Ausreisser erst auf den Polizeiposten. Dort verlangt der Ausreisser den Chef und erklärt ihm: "Ich bin schmerzhaft verhaftet worden, dagegen möchte ich eine Aufsichtsbeschwerde machen und verlange Schmerzensgeld. So in der Höhe zwischen 100 und 500 Franken." Der Chef hat das natürlich nicht gerne, und er versucht mit dem Ausreisser so zu reden, dass dieser keine Aufsichtsbeschwerde macht. Der Ausreisser kann dann nachgeben oder hart bleiben. So eine Aufsichtsbeschwerde wird natürlich nicht am nächsten Tag behandelt. Es gab Fälle, da dauerte es über ein Jahr bis die Aufsichtsbeschwerde behandelt wurde. Schmerzensgeld bekommt der Ausreisser in der Regel nicht, aber verlangen kann er es immer.
Ausreissen: Wer es Zuhause oder in einem Heim nicht mehr aushält, muss genau wissen wohin er ausreissen will. Kein Mensch darf ein Kind oder einen Jugendlichen der ausgerissen ist, länger als eine Nacht bei sich aufnehmen. Jeder der einen Ausreisser bei sich aufnimmt, muss diesen der Polizei umgehend melden oder ihn wieder auf die Strasse stellen wo ihn die Polizei aufgreifen kann, oder den Ausreisser einem Anwalt übergeben.
Anwalt: Es gibt Anwälte, die verzichten in solchen Fällen auf ihr Honorar. Einfach einen Anwalt anrufen und fragen, ob er ihm gratis helfen würde. Anwälte sind sehr nette Leute. Selten lässt ein Anwalt einen Ausreisser hängen. Sie versuchen immer zu helfen. Das erste Treffen mit einem Anwalt ist in den meisten Fällen gratis.
Hilfe holen: Wenn der Ausreisser abgehauen ist, sollte er sofort eine Stelle anrufen, die Kindern einen vorübergehenden Unterschlupf bieten. Die meisten Stellen nehmen Kinder ab 13 Jahren auf. Am besten ruft das Kind noch vor dem Ausreissen einer Stelle an um zu fragen, ob ein Platz frei ist. Der Ausreisser kann natürlich auch dem Sorgentelefon (0800 55 42 10) anrufen. Die Nummer ist gratis, einfach in eine Telefonkabine gehen und die Nummer wählen. Das Sorgentelefon ist zwischen 12.00 Uhr und 18.00 Uhr besetzt.
Unterschlupf: Die meisten Kinder und Jugendlichen fliehen zu Verwandten. Die Verwandten dürfen das Kind nicht länger als eine Nacht bei sich beherbergen. Meist aber rufen die Verwandten die Eltern des Ausreissers an und besprechen das weitere Vorgehen. Bei den Verwandten kann der Ausreisser von seine Eltern eine "Auszeit" verlangen.
Auszeit: Eine Auszeit heisst, der Ausreisser bleibt mal für eine Woche oder länger bei den Verwandten. Während dieser Zeit können Kind und Eltern sich neu orientieren. Nützlich für beide (Eltern und Ausreisser) ist es, wenn sie sich immer wieder telefonisch aussprechen.
Wieder Zuhause: Hilfreich ist es wenn die Eltern, nachdem der Ausreisser wieder Zuhause ist, einen Psychologen organisieren. Die örtliche Erziehungsberatung oder Familienberatung kann hier sehr gut weiterhelfen. Erst wenn das mit dem Psychologen nicht klappt, weil sich das Kind sich weigert, die Kesb einschalten.
Abhauen: Abhauen ist für das Kind und den Jugendlichen immer grosser Stress. Denn auch für den Ausreisser, wie für die Eltern, geht es um die Zukunft des Ausreissers. Der Ausreisser ist auf der Kurve, so nennt man das Unterwegssein, vielen Gefahren ausgesetzt.
Es gibt Kinder, die sind während dem Ausreissen von Kriminellen verschleppt und missbraucht worden, andere Ausreisser landeten im Drogenmilieu. Der Ausreisser muss sich also immer fragen: "will ich mein Leben verbessern oder ist das egal, hauptsache weg?". Wenn der Ausreisser sein Leben verbessern will, muss er immer mit seinen Eltern verhandeln. Am besten vor dem ausreissen. So kann das Kind oder der Jugendliche eine "Auszeit" bei Verwandten, schon vor dem Auszureissen verlangen. Das macht vieles einfacher und gibt weniger "böses Blut".